Die Geschichte der Kaffeehaus-Kultur

23. Februar 2012

Stundenlang Zeitung lesen, hitzige Debatten führen, sinnieren, philosophieren, Theater-stücke schreiben, dazu eine Melange und abends Klaviermusik genießen – das ist Kaffeehaus-Kultur, wie es sie vor allem in Wien gab und zum Teil heute noch gibt. Glatte, kühle Marmortischchen, das Rascheln der Tages-zeitungen beim Umblättern, der würzige Geruch von Kaffee, Stimmengewirr und eine gemütliche Wohnzimmeratmosphäre im Stil des Historismus sind die Zutaten für den Charme des traditionellen Kaffeehauses.

Wie das Kaffeehaus nach Europa kam

Ihren Ursprung hat die Kaffeehaus-Kultur im Osmanischen Reich. Als das erste Café in Istanbul eröffnete, begann sich diese Art der Gaststätte langsam auch in Europa durchzusetzen. Händler hatten im Orient Bekanntschaft mit dem Kaffeehaus gemacht und wünschten sich zunehmend solche Treffpunkte auch für den Westen, wo das erste Café 1647 am Markusplatz in Venedig eröffnete. Es dauerte nicht lange, bis in anderen europäischen Metropolen ebenfalls Kaffeehäuser entstanden. In London entwickelte sich eine rege Kaffeehaus-Kultur im Umkreis der Börse. Das erste Café Deutschlands öffnete seine Pforten 1673 in Bremen. Verschiedenste Legenden ranken sich um die Entstehung der Kaffeehaus-Tradition in Wien. Sicher ist, dass der Armenier Johannes Theodat 1685 eines der ersten Kaffeehäuser gründete. Anfangs war die Wiener Bevölkerung von dem bitteren Trank nicht sonderlich begeistert. Doch als Milch und Zucker hineingerührt wurden, fanden die Menschen schnell Gefallen am Kaffee. Dies war die Geburtsstunde der Wiener Melange. Nun setzte ein regelrechter Kaffeehausboom ein. Um das Jahr 1900 gab es in Wien bereits 600 Kaffeehäuser. Und auch auf andere Zentren der Österreichisch-Ungarischen Monarchie hatte die neue Mode abgefärbt. So war in Budapest, Prag und Triest ebenfalls eine Kaffeehaus-Kultur nach dem Vorbild der Reichshauptstadt entstanden.

Ein Wohnzimmer für die Stadt

In London trafen sich neben den Geschäftsleuten bald auch Literaten, Juristen und Gelehrte im Kaffeehaus. In Frankreich entwickelte sich aus dem Café das Varieté-Lokal, das der Mittel- und Unterschicht ein Unterhaltungsprogramm bot, ohne dafür Eintritt zu verlangen. Ihre Blütezeit erfuhr die Kaffeehaus-Kultur jedoch in Wien, wo mit dem Kaffeehaus auch die berühmte Wiener Gemütlichkeit in der Stadt Einzug gehalten hatte. Das typische Kaffeehaus von damals war viel mehr als nur ein Café. Unzählige Stunden verbrachten die Gäste im gemütlichen Ambiente ihres Stammkaffeehauses. Sie kamen, um sich über die jüngsten Ereignisse im Bezirk und in der Welt auszutauschen, Karten zu spielen, die politische Lage zu kommentieren, Leute zu beobachten und um zu schreiben. Vor allem im 19. Jahrhundert entstanden viele Theaterstücke, Gedichte und Romane im Kaffeehaus. Schriftsteller und Künstler wie Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal, Stefan Zweig, Egon Schiele und Gustav Klimt schätzten das Kaffeehaus nicht nur als zweites Wohnzimmer, sondern nutzten es auch als Inspirationsquelle und Arbeitsplatz.

Kaffeehaus-Tradition als Weltkulturerbe

In Wien ist die Kaffeehaus-Kultur auch heutzutage noch Teil des Lebensgefühls. Das Wiener Kaffeehaus zeichnet sich durch sein ganz spezielles Ambiente aus. Ob Melange, Kleiner Schwarzer oder Großer Brauner, ob Einspänner, Fiaker oder Verlängerter – im Kaffeehaus schmeckt der Kaffee einfach besser als zuhause. Doch hier wird nicht nur Kaffee konsumiert, hier wird gelebt. Hier trifft sich die Kunstszene, hier machen Business-Leute und Politiker ihre Mittagspause, hier verbringen Studenten und Rentner ihre Freizeit, hier vermischen sich alle gesellschaftlichen Schichten. Der unverwechselbare Charme des Wiener Kaffeehauses hat diese Institution inzwischen zum UNESCO-Weltkulturerbe gemacht.

Bild zur Verfügung gestellt von: Olaf Wandruschka – Fotolia

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